Sie waren nicht nur die ersten Bewohner von Siemensstadt Square, sondern gehören auch zu den fleißigsten Mitarbeitern: 2021 hielten erstmals 80.000 Honigbienen Einzug im neuen Stadtquartier. Vom Dach des Dynamowerks fliegen sie in der Siemensstadt Square und in der unmittelbaren Nachbarschaft – immer von April bis Oktober. Honig produzieren sie aber nur nebenbei: Ihre eigentliche Aufgabe im Team ist die Sammlung von Informationen zur pflanzlichen Biodiversität der Siemensstadt.
Normalerweise erfassen Experten die Artenvielfalt durch langwierige Begehungen und intensive Beobachtung. Weil das sehr aufwändig und oft unvollständig ist, nutzt das Siemensstadt Square Team eine innovative neue Methode: das sogenannte DNA-Metabarcoding. Dabei wird Genmaterial aus einer biologischen Probe im Labor automatisch ausgewertet und mit einer umfangreichen Datenbank verglichen. Das liefert in kurzer Zeit viel Information über die Zusammensetzung der Arten in der Probe. Wissenschaftler wenden diese Analyse zunehmend in der Biologie an und arbeiten an der Standardisierung des neuen Verfahrens.
Natürliche Drohne trifft High-Tech Labor
Siemensstadt Square nutzt die Methode heute schon in Zusammenarbeit mit der belgischen Firma BeeOdiversity. Das junge Unternehmen verwendet DNA-Metabarcoding für eine Analyse der Pflanzenarten im Pollen von Honigbienen. Eine Vorrichtung am Bienenstock streift in regelmäßigen Abständen Pollenproben ab, wenn die Bienen vom Sammeln zurückkehren (die Bienen werden dabei nicht verletzt). BeeOdiversity analysiert die Pollen im Labor gleicht sie mit einer umfangreichen Datenbank europäischer und anderer Arten ab. Erfahrene Biologen verifizieren die Ergebnisse und fassen sie viermal pro Jahr zusammen.
Das Ergebnis: Ein Abbild der pflanzlichen Artenvielfalt im Gebiet. Auch wenn dabei nur blühende Pflanzen erfasst werden: Weil diese für Insekten und andere Arten besonders wichtig sind, ist die Analyse für die gesamte biologische Vielfalt aussagekräftig. Die Auswertung in vier Phasen zeigt, ob den Insekten im Jahresverlauf ein ausgewogenes Nahrungsangebot zur Verfügung steht.
Pflanzenvielfalt in der Siemensstadt
Die erste Auswertung im Jahr 2021 hat sehr gute Ergebnisse gebracht. BeeOdiversity hat 58 verschiedene Pflanzenarten im Pollen unserer Bienen entdeckt. Verglichen mit allen urbanen Untersuchungsbereichen, die BeeOdiversity weltweit betreut, schneidet Siemensstadt Square damit „sehr gut“ ab. Der Anteil an Wildpflanzen belief sich auf 74 Prozent. Auch damit liegt das Areal im guten Bereich, denn wilde und heimische Arten sind oft resilienter gegenüber Klimaveränderungen als Zierpflanzen und Exoten. Sie bieten der lokalen Fauna die beste Nahrung.
Wie auch andere zukünftige Bewohner der Siemensstadt Square bewegen sich die Bienen über die Projektgrenzen hinweg. Der hohe Artenreichtum ihres Fluggebiets ist nicht zuletzt durch die strukturreichen Grünlandschaften der Faulen Spree, den Werner von Siemens Park, die vielen Kleingärten und die grün bewachsene S-Bahn-Trasse im Umfeld zu erklären. „Das neue Quartier soll die Nachbarbiotope vernetzen und ergänzen, um die Stadtnatur resilienter zu machen“, erklärt Alyssa Weskamp, Nachhaltigkeits-Expertin im Siemensstadt Square Team. „Bisher müssen wir in unserer Pflanzplanung keine größeren Lücken korrigieren, weil das Nahrungsangebot im Jahresverlauf bereits ausgewogen und der Wildpflanzenanteil gut ist. Als Teil unseres Biodiversitätskonzeptes wird das weitere Monitoring mithilfe der Bienen zeigen, ob das so bleibt oder ob das Artenspektrum der Neuplanung angepasst werden sollte.“
Neue Stockwaage ermittelt Zustand der Bienen
Seit Ende April 2022 fliegen die zwei Bienenvölker wieder durch unseren Zukunftsort – in diesem Jahr mit einer weiteren Neuerung, die hilft, ihre Arbeit und ihre Gesundheit zu überwachen: Eine Bienenstockwaage gibt uns jetzt in Echtzeit Auskunft über das Gewicht der Bienenstöcke. „Damit können wir in Relation zu den Ausgangsparametern den Honigertrag bestimmen,“ erklärt Imker und Siemens-Mitarbeiter Ingo Buschmann, der die Siemensstadt Square Bienen betreut. „Gleichzeitig können wir mit einem Vergleich zu Durchschnittsparametern und der Überprüfung der Brutraumtemperatur feststellen, wie fleißig die Bienen sind. So wissen wir, ob es ihnen gut geht und können gegensteuern, sofern das nicht der Fall ist.“